Die Jagdsaison geht los, der Jagdrucksack ist gepackt und die Vorfreude steigt. Viele Jäger haben aber beim Packen ihres Rucksacks nur die elementaren Dinge wie Waffe, Munition, Messer und Fernglas im Kopf und allzu oft wird dann der Gehörschutz vergessen bzw. ausgelassen. Extrem fatal, wenn man bedenkt, welch irreparable Schäden schon ein einziger Schuss im menschlichen Gehör verursachen kann.

Wie laut ist ein Schuss?

Die Lautstärke von Geräuschen wird in Dezibel (dB) angegeben, einer Maßeinheit für den Schalldruckpegel. Die Hörschwelle des menschlichen Gehörs liegt bei 0 dB, das Ticken einer Armbanduhr schon bei 20 dB und ein normales Gespräch findet im Bereich von etwa 50 dB statt. Wichtig ist zu wissen, dass der Schalldruckpegel eine logarithmische Größe ist und keine lineare Einheit wie Kilogramm oder Meter. Die Verdopplung der Lautstärke bedeutet eine Änderung von 10 dB. Praktisch bedeutet dies, dass 60 dB doppelt so laut sind wie 50 dB – oder ein Rockkonzert rund achtmal so laut wie der normale Straßenverkehr in der Innenstadt.

Die Schmerzgrenze des menschlichen Ohrs liegt bei ca. 130 dB – spätestens ab diesem Wert sind Hörschäden schon bei kurzer Einwirkung möglich. Bei einem Büchsenschuss mit dem Kaliber .30-06 sind direkt an der Mündung ca. 170 dB messbar. Am Ohr des Schützen sind es noch knapp 160 dB.

Der Schalldruckpegel eines Flintenschusses (Kaliber 12/70) ist zwar etwas leiser, doch mit knapp 137 dB weit über der Schmerzgrenze und vollständig im Bereich der potenziellen Hörschädigung.

Sowohl der Büchsen- als auch der Flintenschuss sind deutlich zu laut, um sie ungeschützt abzugeben!

Was passiert dabei im Ohr?

Der Schall gelangt über den Gehörgang zum Trommelfell und wird von dort in Form von Schwingungen an das Mittelohr weitergeleitet. Die drei Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel verstärken die Schwingungen und übertragen sie an das Innenohr. Während das Trommelfell und die Gehörknöchelchen den Lärm eines Schusses noch einigermaßen verkraften können, nehmen die Haarzellen im Inneren der Innenohrschnecke schnell Schaden. Denn die Wellen des Schalls werden von den Gehörknöchelchen auf die Flüssigkeit in der Innenohrschnecke geleitet und bewegen dort die Haarzellen, welche die Bewegung als elektrischen Impuls an unser Gehirn weiterleiten

Ohne Haarzellen keine Geräuschwahrnehmung. Je lauter das Geräusch, desto stärker werden die Härchen umgebogen. Bei extremem Lärm knicken sie ab wie die Halme eines Weizenfelds im Sturm. Bei jedem extremen Lärmereignis knicken mehr und mehr der kleinen Härchen um oder reißen aus und die Haarzellen sterben ab. Und das Schlimme hierbei ist: Unsere Haarzellen können sich nicht regenerieren. Sie wachsen niemals nach und man kann sie nicht ersetzen. Mit jedem Schuss, jedem extremen Lärmereignis, das unser Ohr ungeschützt trifft, verlieren wir einen Teil unseres Hörvermögens. Darum ist die Wahl eines geeigneten Gehörschutzes extrem wichtig.

Gehörschutz ist auch Arbeitsschutz! Ein Arbeitgeber muss in Deutschland ab einer Lärmbelastung von 80 dB(A) am Arbeitsplatz einen Gehörschutz zur Verfügung stellen und ab 85 dB(A) ist der Arbeitnehmer verpflichtet, diesen auch zu tragen.

Welche Werte geben Auskunft über die Schutzwirkung von Gehörschützern?

Die beiden häufigsten Standards für die Schutzwirkung von Gehörschützern sind die Werte SNR und NRR. Beide geben einen Dezibel-Wert an, der Auskunft über die durchschnittliche Dämmwirkung eines Gehörschutzes in lärmreicher Umgebung gibt. SNR steht in diesem Kontext für „Single Number Rating“ und ist das europäische System zur Ermittlung der Dämmwirkung von Gehörschützern.

Der SNR-Wert wird von unabhängigen Laboren geprüft und ist mit den EU-Normen vereinbar. Der US-amerikanische Standard NRR (Noise Reduction Rating) wird nach etwas anderen Kriterien geprüft und weicht daher meist 2–3 dB vom SNR-Wert ab. Zur besseren Vergleichbarkeit wird die Schutzwirkung teilweise auch in HML-Werten angegeben. Hier wird die Dämmwirkung in den drei Frequenzbereichen H (Hoch = zwischen 2000 Hz und 8000 Hz), M (Mittel = zwischen 1000 Hz und 2000 Hz) und L (Niedrig = zwischen 63 Hz und 1000 Hz) geprüft.

Je lauter der Umgebungslärm, desto höher sollte auch die Dämmwirkung des Gehörschutzes sein.

Laute Schüsse, empfindliche Ohren

Gerade wenn planmäßig mehrere Schüsse fallen, wie etwa beim Einschießen von Büchsen oder im Schießkino, ist die Belastung für die Ohren extrem. Es ist daher ratsam, einen Kapselgehörschutz mit hohem Dämmwert auszuwählen.

Welche Art Gehörschutz ist der passende für mich?

Ist man Lärm von 160 dB ausgesetzt und schützt seine Ohren mit einem Gehörschutz mit SNR 30 oder NRR 28, dann wird die Einwirkung auf 130 dB reduziert. Der Lärm ist zwar weiterhin laut, doch knapp nicht mehr im Bereich der sofortigen physischen Schädigung. Allerdings beruht eine solche Berechnung auf Tests unter Laborbedingungen. Wenn der Gehörschutz etwa durch die eigenen Haare oder eine Brille nicht richtig sitzt und mit der Haut abschließt, kann die Schutzwirkung beeinträchtigt sein. In der Jagd gibt es die unterschiedlichsten Situationen. Je nachdem mit welcher Waffe man unterwegs ist und wie die voraussichtliche Lärmbelastung sein wird, sollte man den richtigen Gehörschutz wählen, um das eigene Hörvermögen zu bewahren.

Voll geschützt und mit der Umgebung verbunden

Für die Momente, in denen leise Umgebungsgeräusche wahrgenommen werden sollen, wie etwa auf der Ansitz- oder Drückjagd, lohnt sich die Investition in einen aktiven Gehörschutz. Diese Art von Gehörschützern ist mit Außenmikrofonen ausgestattet, mit deren Hilfe Umgebungsgeräusche in einem niedrigen Dezibel-Bereich verstärkt und Lärm ab einem bestimmten dB-Wert herunterregelt wird. Einige der modernen aktiven Gehörschützer bieten zusätzliche Funktionen, so sind sie beispielsweise wasserdicht oder ermöglichen den Anschluss externer Geräte über Kabel oder Bluetooth.

Innovativ und leicht

Wer mit leichtem Gepäck unterwegs sein möchte oder beim Flintenanschlag mit dem Schaft an den Gehörschutz stößt, der sollte gegebenenfalls über Gehörschutzstöpsel nachdenken. Allerdings spielt die Form des Gehörschutzes eine nicht unerhebliche Rolle bei der Schutzwirkung. So wird bei Gehörschutzstöpseln häufig ein vergleichbarer SNR-Wert wie bei Kapselgehörschützern angegeben, trotzdem erscheint der Lärm beim Einsatz der Stöpsel vergleichsweise laut. Das liegt daran, dass das Innenohr auch die Schallwellen registriert, die abseits des Gehörgangs über den Schädelknochen aufgenommen werden. Bei Kapselgehörschützern ist auch der Bereich rund um die Ohrmuschel geschützt und es treffen weniger Geräuschimpulse auf das Hörorgan.

Trotzdem reduzieren gut sitzende Gehörschutzstöpsel den Lärm eines Schusses erheblich und beugen Hörschäden vor. Aktive Gehörschutzstöpsel eignen sich insbesondere für die Jagd mit der Flinte und den Besuch auf dem Tontaubenstand. Durch die Außenmikrofone ist die Kommunikation mit den Mitjägern problemlos möglich, während der Impulslärm des Schusses heruntergeregelt wird. Austauschbare Stöpsel ermöglichen eine Anpassung an den eigenen Gehörgang, damit der Gehörschutz optimal sitzt und schützt.

Sollte man immer dabei haben

Doch es muss nicht immer der aktive Gehörschutzstöpsel sein. Denn auch bei den passiven Ohrstöpseln gibt es innovative Formen, die einen guten Schutz gewähren und trotzdem eine klar verständliche Kommunikation mit der Außenwelt ermöglichen. In Situationen, in denen die eigenen Hände schmutzig werden können, empfehlen sich vorgeformte Gehörschutzstöpsel in „Tannenbaumform“, da diese nicht zusammengerollt werden müssen und einhändig eingesetzt werden können. Einfache Stöpsel aus Schaumstoff lassen sich am besten einsetzen, wenn die Ohrmuschel mit der einen Hand leicht nach oben gezogen wird, während der Stöpsel mit der anderen Hand zusammengerollt und dann eingesetzt wird. Der Ohrstöpsel sitzt perfekt, wenn er von vorne nicht sichtbar ist.

Tipp: Wer seine Ohren zusätzlich schützen möchte, kombiniert einfach Ohrstöpsel mit einem Kapselgehörschutz! Es empfiehlt sich, immer ein Paar passiver Gehörschutzstöpsel in Jagdrucksack und Handschuhfach für den Notfall dabeizuhaben. Denn auch ein einfacher Einweg-Ohrstöpsel bietet deutlich mehr Schutz als ein Taschentuch oder der Finger im Ohr. Doch es gilt natürlich: Jede Art von Schutz ist besser als kein Schutz.

Fazit

Es müssen nicht mehr Wattepfropfen, die in der Bewegung herausfallen, oder riesige „Mickeymäuse“ sein, die einen von der Außenwelt abschneiden. Dank leichten aktiven Gehörschützern können leise Umgebungsgeräusche wahrgenommen werden und der Impulslärm des Schusses wird heruntergeregelt. Neben Kapselgehörschützern gibt es eine Reihe von innovativen Gehörschutzstöpseln, die insbesondere bei der Jagd auf Niederwild und auf dem Tontaubenstand praktischen Schutz bieten. Außerdem haben immer mehr Jäger ihre Büchsen mit Schalldämpfern ausgestattet und schützen somit ihr Gehör und das von Treibern, Mitjägern und Hunden bei jedem Schuss. Doch noch ist nicht jede Büchse umgerüstet und beim Flintenschießen spielen Schalldämpfer eine untergeordnete Rolle. Die Masse der jagdlichen Schüsse ist also weiterhin sehr laut und somit lohnt sich der Blick auf die Lautstärke eines Schusses, die Reaktion im Ohr und die verschiedenen Arten von Gehörschützern.

Quellen

Textquellen:

  • Umweltbundesamt, „Gehörschäden durch Lärmeinwirkung“ 26.06.2021
  • Deutsche Versuchs- und Prüfanstalt für Jagd- und Sportwaffen e.V. Bericht zur „Ermittlung realer Werte des Geräuschpegels mit und ohne Schalldämpfer“ 05.11.2015

Bildnachweise:

  • Abbildung 1: eigene Abbildung
  • Abbildung 2: „Blick ins Ohr“ Urheber: Alex Kock, Stiftung Warentest „Was Sie bei Ohrenpiepen tun sollten“ 14.12.2021
  • Abbildung 4: Gesunde Haarzellen – Geschädigte Haarzellen“, Schneider Hörberatung „Wissen rund um das Hören – Ohr-Anatomie“ 2021