Worin lag die Hauptaufgabe für Sie und Ihr Team vor Ort?

Lene Plesch: Die Hauptaufgabe meines Teams war die Ausbildung von 27 Kletterern in zwei fünftägigen Kursen, wobei primär die Arbeitssicherheit im Fokus stand. Außerdem waren alle sehr daran interessiert, Wissen rund um das Thema Baummanagement auszutauschen. Die Baumpflege in Deutschland ist schon sehr weit entwickelt und deshalb können unsere Erfahrungen den Bauern in Brasilien helfen, ein Baummanagement auf den Kaffeeplantagen zu starten oder weiter zu optimieren. Neben dem Kontakt zu den Teilnehmern der Seilkletterschulung haben wir die Seilklettertechnik an verschiedenen Instituten und Schulen vorgestellt. Alle Präsentationen sind sehr positiv aufgenommen worden und haben bei vielen Studierenden, Schülern und Professoren Interesse geweckt.

Wie lange waren Sie und Ihr Team in Brasilien?

Das gesamte Team war drei Wochen in Brasilien, wovon wir zwei Wochen lang mit der Durchführung der Schulungen beschäftigt waren. Den Rest der Zeit haben wir damit verbracht, Präsentation abzuhalten, unser Netzwerk weiter auszubauen sowie die Prozesse und Herausforderungen beim Kaffeeanbau in Agroforstsystemen kennenzulernen.

Wie haben die örtlichen Plantagenbesitzer auf das Projekt reagiert?

Das Interesse bei allen Kaffeelandwirten war groß, da fehlende Möglichkeiten zum Baummanagement oftmals das Argument gegen die Etablierung von Bäumen sind. Außerdem waren sich alle beteiligten Landwirte über das hohe Unfallrisiko der bisher zum Baumschnitt verwendeten Verfahren bewusst. Die Seilklettertechnik bedeutet für sie eine enorme Steigerung der Arbeitssicherheit. Alle an der Schulung beteiligten Landwirte waren bereits von der Idee des nachhaltigen Kaffeeanbaus in Agroforstsystemen überzeugt. Andere Landwirte, mit denen ich in Kontakt war, haben leider jedoch noch immer Angst davor, Bäume auf ihren Flächen anzupflanzen. Die von uns ausgebildeten Kletterer werden nun als Multiplikatoren die neuen Möglichkeiten weiterverbreiten und damit dafür sorgen, dass die Landwirte die Vorteile der Bäume kennenlernen und mehr Bäume pflanzen.

Welche Herausforderung war die größte während des Aufenthalts in Brasilien?

Herausfordernd für mein Team war die Auswahl der Bäume für die Kletterschulung, da es in Brasilien nicht wie in Deutschland ca. 70 verschiedene Baumarten, sondern in ganz Brasilien um die 8.000 Baumarten gibt. Einen Baum zum Beispiel wollten wir für die Schulung verwenden und beim Gespräch mit der Landbesitzerin stellte sich heraus, dass diese Baumart sehr instabil und immer von innen hohl ist. Außerdem war der Baum von außen voll mit Stacheln, die man von weitem nicht sehen konnte. Alle Bäume mussten genau begutachtet und Ratschläge von den lokalen Bewohnern eingeholt werden.

Gab es Sprachbarrieren in Bezug auf die Fachsprache?

Ja, natürlich. Die meisten Teilnehmer haben nur Portugiesisch und kein Englisch gesprochen und auch die Ausbilder aus Deutschland wenig Englisch. Die meisten Theorieeinheiten habe ich deshalb auf Englisch übernommen und unser brasilianischer Projektkoordinator hat anschließend auf Portugiesisch übersetzt. Insgesamt war es aber sehr schön zu sehen, wie viel Kommunikation mit Händen und Füßen möglich ist. Die Teilnehmer und Ausbilder sind während der Zeit eng zusammengewachsen und für Daumen hoch oder eine Umarmung braucht man zum Glück keine Übersetzung.

Wie wirkt sich das Klima vor Ort auf die Arbeitsweise der Kletterer aus, auch im Vergleich mit Mitteleuropa?

Wir waren in der „Winterzeit“ in Brasilien, deshalb waren die Temperaturen mit maximal 27 Grad noch sehr angenehm und abends musste man sich sogar eine Jacke überziehen. Der große Vorteil ist, dass der Winter in Brasilien die Trockenzeit ist. In der Regenzeit kann die Lagerung der Ausrüstung wegen der hohen Luftfeuchtigkeit ein echtes Problem sein. Außerdem sind die Kaffeeplantagen nur über kleine unbefestigte Wege zugänglich, auf denen man sich in der Regenzeit sehr schnell festfahren kann. Deshalb ist die Rettung bei einem möglichen Arbeitsunfall dann deutlich schwieriger.

Wie wurde die Arbeit des Projektes finanziell bewerkstelligt?

Finanziell wurde das Projekt von der niedersächsischen Bingo-Umweltstiftung gefördert. Damit konnten die Klettermaterialien, die den ausgebildeten Multiplikatoren jetzt zur Nutzung in Brasilien zur Verfügung stehen, bezahlt werden. Auch die Ausgaben während des Schulungszeitraums wurden durch niedersächsischen Bingo-Umweltstiftung getragen. Kleine Spendenbeiträge haben wir außerdem von den Firmen Petzl und Thor erhalten. Die Firma Grube hat die Logistik für die Ausrüstung nach Brasilien übernommen. Ohne die vielen ehrenamtlichen Unterstützer hätten wir das Projekt dennoch nicht realisieren können. Neben den sehr engagierten Baumkletterausbildern der Seilkletterschule Oerrel, welche die Flugkosten selbst getragen haben, hat die Designerin Jone Schardt ehrenamtlich den Namen und das Logo für das Projekt entwickelt. Von der brasilianischer Seite hat das Projektteam ebenfalls viele Stunden Freizeit invenstiert, um die Organisation und Durchführung auf die Beine zu stellen. So ein Projekt lebt vom Herzblut aller Beteiligten!

Konnte das Agroforst-Projekt bereits erste Erfolge verbuchen?

Auf jeden Fall! Durch die Kletterschulung ist ein großes Netzwerk zwischen den Landwirten mit Agroforstsystemen entstanden. Viele der Landwirte werden mit den neuen Möglichkeiten des Baummanagements mehr Bäume anpflanzen und weitere Monokulturflächen in Agroforstsysteme umwandeln. Außerdem haben wir mit mehreren Projektpräsentationen viele Studenten und Schüler, die in der nächsten Generation die Kaffeeanbauflächen übernehmen, davon überzeugt, in Zukunft ebenfalls Bäume anzupflanzen.

Wie sehen die nächsten Schritte vor Ort aus?

Die ausgebildeten Kletterer haben bereits Treffen geplant, um gemeinschaftlich die Bäume in ihren Agroforstsystemen zu schneiden. Darüber hinaus wollen sie mit Klettervorführungen und Baumschnittdemonstrationen mehr Landwirte über die neuen Möglichkeiten informieren. Die lokalen Bildungsinstitute als Partnerorganisation werden die Kletterer langfristig betreuen und sie organisieren außerdem das Ausleihsystem der Ausrüstung. Beim Projekt haben einige Studenten und Professoren der Institute freiwillig geholfen und werden das Wissen nun durch weitere Präsentationen verbreiten.

Was war das schönste Erlebnis während der Reise?

Das schönste Erlebnis waren die gemeinsamen Abende mit den Teilnehmern und dem Projektteam. In vielen Gesprächen merkte man den Enthusiasmus und die Motivation aller Beteiligten: die Welt mit unserem Projekt ein Stück weit zu verändern. Und natürlich wurde dabei auch viel gelacht, getanzt und der ein oder andere Caipirinha getrunken.

Ist ein weiterer Besuch in Brasilien geplant?

Der Wunsch, weitere Schulungen in Brasilien zu geben, ist sehr groß und alle beteiligten Ausbilder möchten gerne nach Brasilien zurückkehren. Konkret ist noch keine weitere Reise geplant, aber auf brasilianischer und deutscher Seite arbeiten wir daran, das Projekt langfristig weiterzuführen und das wird mit Sicherheit mit weiteren Reisen nach Brasilien verbunden sein.

Welche Projekte stehen für Sie in nächster Zukunft an?

Bereits demnächst steht für mich die nächste Reise an. Fünf Wochen lang werde ich für ein Studienprojekt in Nepal sein und dort den Wald und die Leute kennenlernen. Ich freue mich schon darauf, dabei weitere Erfahrungen sammeln zu dürfen, die vielleicht auch bei der weiteren Projektplanung in Brasilien hilfreich sein können.

Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen!

Bildnachweis:

Alle Bilder wurden uns freundlicherweise von Thomas Böhl/Lene Plesch zur Verfügung gestellt.